Ferndolmetschen für Veranstalter

Empfehlungen für Konferenzveranstalter und Auftraggeber, die Dienstleistungen des Ferndolmetschens in Anspruch nehmen

In Zeiten, in denen es die Umstände nicht erlauben, Kongresse oder Konferenzen zu organisieren, auf denen die Teilnehmer, Dolmetscher und Veranstalter am gleichen Ort präsent sind, gibt es Lösungen im Internet, die virtuelle Konferenzen, einschließlich mehrsprachiger, ermöglichen. Diese Technologie (sei es, dass es sich um Anwendungen für Videokonferenzen oder Plattformen für das Konferenzdolmetschen handelt) hat allerdings auch weiterhin gewisse Einschränkungen. Um den Erfolg einer Konferenz oder eines geschäftlichen Treffens zu gewährleisten, ist es deshalb notwendig, entsprechende organisatorische, technische und rechtliche Anforderungen zu erfüllen.

Organisation einer Konferenz und was besonders beachtet werden muss

Die im Internet verfügbaren Lösungen für das Konferenzdolmetschen ermöglichen das Ferndolmetschen in Form von Konsekutiv- und Simultanverdolmetschungen   (eng. distance interpreting), einschließlich der Sonderform des Ferndolmetschens, bei der sich die Dolmetscher an einem anderen Ort als die Redner befinden und über eine Internetverbindung dolmetschen (engl. RSI, remote simultaneous interpreting). Wann immer möglich, sollten sich die Dolmetscher am Konferenz- oder Tagungsort befinden. Wenn aber wenn von einem entfernten Ort aus gedolmetscht wird, sollten alle Dolmetscher gemeinsam an einem Ort, im so genannten Dolmetschhub (engl. interpreting hub) arbeiten.

Beim Organisieren dieser Form des Ferndolmetschens sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • Es sollten professionelle Dolmetscher beauftragt werden, die über entsprechende Referenzen und Erfahrung verfügen.
  • Das Sprachteam sollte immer aus zwei Dolmetschern für dieselbe Sprachenkombination beziehungsweise für denselben Ausgangssprachkanal bestehen (oder im Falle einer komplexeren Sprachenkombination oder einer längeren Konferenzdauer aus drei Dolmetschern). Simultandolmetschen ist eine Teamleistung, bei der die Dolmetscher visuell, verbal und nonverbal miteinander kommunizieren. Dieser Standard spielt auch beim Ferndolmetschen eine Schlüsselrolle, da unterschiedliche unvorhergesehene Umstände und technische Störungen auftreten können.
  • Sollte es nicht möglich sein, eine gewöhnliche Dolmetschkabine direkt am Veranstaltungsort aufzustellen, arbeiten die Dolmetscher im so genannten Dolmetschhub (engl. hub), in dem die Arbeitsbedingungen und technischen Voraussetzungen denen einer gewöhnlichen Kabine am nächsten kommen. Eine Beauftragung von Dolmetschern, die von zu Hause aus arbeiten und sich nicht gemeinsam an einem Ort befinden, sollte ausschließlich in extremen Krisensituationen (große Naturkatastrophen, Pandemien, die strenge Maßnahmen wie das Verbot des Aufenthalts mehrerer Personen am selben Ort erforderlich machen u. Ä.) in Erwägung gezogen werden. Denn eine derartige Arbeitsweise entspricht nicht den professionellen Standards und kann die Qualität der Verdolmetschung und die Gesundheit der Dolmetscher in bedeutendem Maße beeinträchtigen und folglich auch den Erfolg der Konferenz gefährden.
  • Vor der Konferenz sollte ein Testlauf (das Testen der Plattform und der technischen Ausrüstung, die zum Einsatz kommt) durchgeführt werden; den Teilnehmern sind Arbeitsweise und Verhaltensregeln auf der virtuellen Konferenz zu erklären. Den Dolmetschern und Teilnehmern sollte ein Techniker zur Verfügung stehen, der sie unterstützt. Vor allem wegen der erschwerten Arbeitsbedingungen ist es sehr wichtig, dass den Dolmetschern im Voraus bzw. innerhalb einer angemessenen Frist Konferenzunterlagen (detaillierte Tagesordnung, Präsentationen, Referate, Reden und Teilnehmerliste) zur Vorbereitung zugestellt werden.

Technische Aspekte

Die technischen Voraussetzungen für das Funktionieren von Dolmetschplattformen existieren schon seit ca. 30 Jahren und basieren auf dem VoIP (Voice over Internet Protocol), einer Technologie, die die Übertragung von Ton und so auch das Kommunizieren über das Internet möglich macht. Als Konferenzveranstalter sollten sie bedenken, dass Ferndolmetschplattformen ein Geschäftsmodell mit geringen Investitionen verfolgen, sich auf die Geräte und Ausrüstung des Endverbrauchers (also auf Ihre als Veranstalter sowie auf die der restlichen Teilnehmer und Dolmetscher) verlassen und nicht auf professionelle Hardware wie beim traditionellen Simultandolmetschen in standardgemäßen Kabinen, die mit entsprechender Technik ausgestattet sind und für deren Qualität und Funktionalität professionelle Konferenztechniker haften. Bei Dolmetschplattformen endet die Haftung des Plattformanbieters, sobald der Ton beim Endverbraucher ankommt und die Qualität aufgrund zahlreicher unbekannter Variablen und Algorithmen für die Tonanpassung in den Geräten und in der Ausrüstung (Computer, Tablets, Handys usw.) nicht mehr wesentlich beeinflusst werden kann. In letzter Zeit wird der Einfluss auf die Gesundheit der Teilnehmer und Dolmetscher intensiv erforscht. Entsprechende Studien zeigen bedeutende Unterschiede im Vergleich zur traditionellen Konferenztechnik auf. Eine erhöhte kognitive Belastung, Stress und Ermüdung, der akustische Schock und andere negative Einflüsse auf das Gehör sind nur einige der Erscheinungen, die in diesen Forschungsstudien analysiert werden, so dass dieser Aspekt auf jeden Fall berücksichtigt werden muss. Aus all dem geht hervor, dass sich die Entscheidung, eine virtuelle Konferenz mit Fernverdolmetschung auszurichten, auf objektive Gründe stützen und nicht unkritisch aktuellen Trends folgen sollte.

Da die technischen Anforderungen bei Konferenzen, auf denen Ferndolmetschplattformen eingesetzt werden, komplexer sind als sonst, spielt die Informiertheit der Veranstalter und Teilnehmer über alle für diese Arbeitsweise notwendigen Aspekte eine sehr wichtige Rolle. Außerdem sollten sich Veranstalter und Auftraggeber nicht in die Irre führen lassen, wenn behauptet wird, dass das Ferndolmetschen günstiger sei als die standardmäßige Verdolmetschung. Das Gegenteil ist nämlich der Fall! Bedenkt man, dass beim Ferndolmetschen Kosten für die Nutzung einer Plattform (in unterschiedlicher  Höhe je nach Einstellungen, Sprachenregelung, Anzahl der Teilnehmer, Gesamtanzahl der auf der jeweiligen Plattform durchgeführten Konferenzen usw.), Kosten für den technischen Support, ein zusätzliches Honorar für die Dolmetscher für ihre Arbeit unter besonderen Arbeitsbedingungen sowie andere Faktoren, anfallen, dann sind diese Kosten in gewissen Segmenten sogar höher.

Bei der technischen Vorbereitung sollten folgende Punkte beachtet werden:

  • Festlegung der technischen Anforderungen unter Berücksichtigung der Sprachenregelung, Anzahl der Teilnehmer usw., in Abstimmung mit den Dolmetschplattformanbietern und Dolmetschern;
  • Wahl der erforderlichen Ausstattung und Infrastruktur, die die bestmögliche Qualität der Übertragung von Bild und Ton (Internetverbindung, Computer und andere Einrichtungen, die zum Einsatz kommen, Art der Kopfhörer und des Mikrofons) sowie den Schutz der Gesundheit von Teilnehmern und Dolmetschern gewährleisten; die gewählte Plattform muss der einschlägigen Norm ISO 24019:2022 entsprechen; der Internationale Konferenzdolmetscherverband AIIC hat zudem Leitlinien und Checklisten erstellt, die es Veranstaltern und Dolmetschern erleichtern, sich in technischen Angelegenheiten, bei der Bestimmung der jeweils passenden Ausstattung und anderen Aspekten der Arbeitsbedingungen des Ferndolmetschens, vor allem im Kontext einer Pandemie zurechtzufinden (s. https://aiic.org/site/world/about/profession/guidelines#remote-interpreting).
  • Durchführung eines technischen Testlaufs vor der Konferenz und technischer Support während der gesamten Konferenz.

Rechtliche Aspekte

Beim Abschluss von Verträgen oder bei der Unterbreitung von Angeboten für das Ferndolmetschen sollten viele Faktoren beachtet werden, wie zum Beispiel die Frage, ob der Auftrag mit dem Dolmetscher oder dem Hub-Betreiber vereinbart wird. Ungeachtet des Orts und der Form des Dolmetschens müssen allgemeine Berufsstandards und Arbeitsbedingungen eingehalten werden (). Auch hier möchten wir betonen, dass Sie als Veranstalter und Auftraggeber immer darauf achten sollten, dass Sie professionelle Dolmetscher mit guten Referenzen und entsprechender Erfahrung engagieren. Denn dies ist einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg Ihrer Konferenz.

Beim Vertragsabschluss oder bei der Unterbreitung eines Angebots für das Ferndolmetschen ist es, neben den Grundsätzen des Kroatischen Konferenzdolmetscherverbands, die auch beim traditionellen Dolmetschen zur Anwendung kommen, erforderlich, Folgendes festzulegen und zu vereinbaren:

  • den Standort der Simultanverdolmetschung (Dolmetschen in einem Dolmetschhub oder am Tagungsort, oder, in Extremfällen, aus den Räumlichkeiten des Dolmetschers) und entsprechende Kostenerstattung (Pacht, Kosten für die Infrastruktur am jeweiligen Standort des Dolmetschers u. Ä., je nach Standort);
  • die Anzahl der Dolmetscher im Sprachteam (jeweils zwei für dieselbe Sprachenkombination beziehungsweise einen Ausgangssprachkanal, oder drei, je nach Dauer der Konferenz und Sprachenregelung) und deren Einsatzort (im gleichen Raum oder räumlich voneinander getrennt);
  • die zum Einsatz kommende Plattform für das Ferndolmetschen im Simultandolmetschmodus und Festlegung der Sprachenregelung;
  • die Dauer des Arbeitstages, der auch bei dieser Art der Verdolmetschung für die Honorarabrechnung entscheidend ist, sowie obligatorische Pausen (Dolmetscher, die über eine Plattform dolmetschen, dürfen maximal zwei Stunden ohne Pause an der virtuellen Konsole arbeiten, wobei die Gesamtdauer des Arbeitstages mit zwei Dolmetschern vier Stunden beträgt zuzüglich einer Pause von mindestens 30 Minuten. Wenn eine Konferenz zwischen vier und sechs Stunden dauert, muss ein dritter Dolmetscher ins Sprachteam einbezogen werden; für eine Konferenz von über sechs Stunden sind zwei Sprachteams zu je zwei Dolmetschern zu engagieren
  • die Klärung des Haftungsumfangs bei technischen Problemen, bei der Unterbrechung der Verbindung, bei unzulänglicher oder unverständlicher Audio- oder Videoübertragung oder anderen Problemen, die die Qualität der Kommunikation zwischen den Teilnehmern und die Arbeit der Dolmetscher beeinträchtigen (Unterzeichnung eines Haftungsausschlusses der Dolmetscher für technische Schwierigkeiten, die die Qualität der Verdolmetschung beeinflussen oder sie vollständig verhindern, sowie das entsprechende Recht der Dolmetscher, falls solche Probleme eintreten, ihre Arbeit einzustellen);
  • die Zustimmung der Dolmetscher, dass die Verdolmetschung gegen eine entsprechende Vergütung aufgezeichnet und im Internet oder auf anderen Datenträgern öffentlich wiedergegeben wird;
  • das Honorar der Dolmetscher, einschließlich eines zusätzlichen Honorars für erschwerte Arbeitsbedingungen aufgrund der stärkeren kognitiven Belastung, die bei der Arbeit mit den auf der Plattform enthaltenen virtuellen Dolmetschkonsolen entsteht, aufgrund der eventuellen schädlichen Tonübertragung (akustischer Schock) und anderer Gesundheitsrisiken in Verbindung mit dieser Arbeitsweise;
  • die Haftung für Datenschutz und -sicherheit;
  • alle sonstigen und besonderen Bedingungen, die bei der Umsetzung des konkret vereinbarten Auftrags auftreten können, wie z. B. Arbeitsbedingungen von Dolmetschern, die blind sind oder eine Sehschwäche haben und deshalb das Interface (die virtuelle Konsole) der Ferndolmetschplattform nicht benutzen können. In diesem Fall ist dem betreffenden Dolmetscher eine klassische Dolmetschkonsole zur Verfügung zu stellen, an der man manuell zwischen dem Eingangs- und Ausgangssprachkanal wechseln kann, die Lautstärke, das Mikrofon und die Funktion mute einstellen kann.

Alle sonstigen Dinge in Bezug auf die Organisation, Technik und rechtlichen Aspekte, die in diesen Empfehlungen nicht angegeben sind und nicht erläutert werden, können Auftraggeber und Dolmetscher im Einklang mit den Anforderungen der jeweiligen virtuellen Konferenz oder des jeweiligen virtuellen Treffens partnerschaftlich klären und vereinbaren. Sollten Sie andere Informationen oder Tipps zum Thema Organisation von Konferenzen mit Verdolmetschungen benötigen, sei es, dass es sich um Präsenz- oder virtuelle Veranstaltungen handelt, können Sie sich gerne per E-Mail an uns wenden: info@hdkp.hr.

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