Ferndolmetschen

Empfehlungen für das Ferndolmetschen – Konferenzdolmetscher

Beim klassischen Dolmetschen (Konsekutiv- und Simultandolmetschen) befinden sich die Teilnehmer der Veranstaltung mit Verdolmetschung (Redner, Moderatoren, Zuhörer, Dolmetscher, Techniker, Veranstalter) an dem Ort, an dem der Text ausgesprochen und in eine oder mehrere Sprachen verdolmetscht wird. Die Anwesenheit der Dolmetscher ist wesentlich für die richtige Auslegung des gesprochenen Texts und die nonverbale Kommunikation. Dies gilt vor allem fürs Simultandolmetschen und die unerlässliche Zusammenarbeit der Dolmetscher während ihrer Arbeit in der Kabine.

In außerordentlichen Situationen, wenn sich die Teilnehmer der Veranstaltung (Tagung, Konferenz, Seminar usw.) nicht alle am selben Ort befinden, spricht man vom Ferndolmetschen (engl. distance conference interpreting). Wenn sich die Dolmetscher an einem anderen Ort als der Sprecher befinden und über eine Internetplattform simultan dolmetschen, handelt es sich um eine Unterart des Ferndolmetschens, nämlich das Remote Simultaneous Interpreting (im weiteren Textverlauf: RSI). Diese Verdolmetschung kann in einem Dolmetschhub (engl. interpreting hub) erfolgen, in dem sich alle Dolmetscher desselben Sprachteams befinden,  oder in extremen Fällen (in gesundheitlichen Notlagen, in denen die Dolmetscher nicht im selben Raum sitzen dürfen, Naturkatastrophen, aufgrund deren sie nicht zusammen sitzen können) in den eigenen (geschäftlichen oder privaten) Räumlichkeiten, so dass sich jeder Dolmetscher an einem anderen Standort befindet.

Das Ferndolmetschen gründet auf der Anwendung von technischen Lösungen, die die Übertragung von Bild und Ton und folglich auch die Qualität der Verdolmetschung, den Erfolg der Konferenz und die Gesundheit der Dolmetscher stark beeinflussen. Deshalb wird empfohlen, dass diese Art des Konferenzdolmetschens nur im Extremfall eingesetzt wird und dass der Einsatz so kurz wie möglich dauert. Beim RSI im Hub können Dolmetscher die Haftung für eventuelle technische Probleme, akustische Störungen sowie den Datenschutz auf den Betreiber des Hubs übertragen. Beim RSI aus den eigenen Räumlichkeiten muss sich der Dolmetscher zwangsläufig selbst um gewisse technische und organisatorische Aspekte kümmern (z. B. die Bereitstellung der Ausrüstung, Einrichtung der Räumlichkeiten, damit ungestört gedolmetscht werden kann, Tonübertragung usw.). Daher besteht hier auch die Gefahr, dass ihn die Veranstaltungsteilnehmer für die genannten Faktoren für (mit)verantwortlich halten, es sei denn, der Dolmetscher hat einen Haftungsausschluss vereinbart. Aus diesen Gründen ist das RSI im Hub die etwas bessere Lösung.

Arbeitsbedingungen

Ungeachtet des Ortes und der Art des Dolmetschens müssen die Dolmetscher immer die allgemeinen Berufsstandards und Arbeitsbedingungen beachten, sogar wenn es sich um einen Ferndolmetscheinsatz handelt  beachten, selbst wenn es sich um einen Ferndolmetscheinsatz handelt.
 

Aufgrund der kognitiven Belastung und Erschöpfung, die beim Ferndolmetschen stärker ausgeprägt sind als beim klassischen Dolmetschen, arbeiten beim Ferndolmetschen immer und ausnahmslos mindestens zwei Dolmetscher derselben Sprachenkombination bzw. desselben Ausgangssprachkanals zusammen.

Die Abrechnungseinheit ist beim Ferndolmetschen ein Arbeitstag, der für beide Dolmetscher maximal vier Dolmetschstunden beträgt, wobei nach den ersten zwei Stunden eine Pause von mindestens 30 Minuten zu gewähren ist. Falls die Konferenz 4 bis 6 Stunden dauert, ist ein dritter Dolmetscher für das Sprachteam hinzuzuziehen, während für Konferenzen von über 6 Stunden Dauer zwei Teams aus je zwei Dolmetschern zu engagieren sind.

Vereinbarungen

Konferenzdolmetscher erstellen ein Angebot und/oder schließen einen Vertrag über die Erbringung der Dienstleistung des Ferndolmetschens, in dem, neben den üblichen Arbeitsbedingungen, Folgendes angegeben wird:

  • die Dauer des Arbeitstags bzw. der Verdolmetschung und Pausen;
  • die Anzahl der Dolmetscher pro Sprachteam und deren Standort (im selben Raum oder getrennt);
  • die Bezeichnung der Plattform und den Standort der Dolmetscher (Hub oder im Extremfall eigene Räumlichkeiten);
  • die Bestimmung über den Haftungsausschluss für technische Probleme, die die Qualität der Verdolmetschung, die Qualität der Übertragung von Ton und Bild und die Qualität der Internetverbindung beeinflussen, für den unerlaubten Zugang zu Daten, den Verlust von Daten, das Abfangen oder Abhören von Datenströmen (engl. disclaimer);
  • das Recht des Dolmetschers, im Falle einer schlechten Ton- oder Bildqualität das Dolmetschen einzustellen;
  • die Bestimmung über die Haftung für Gesundheitsschäden bei den Dolmetschern;
  • die eventuelle Zustimmung zur Aufzeichnung der Verdolmetschung und die Festlegung einer Vergütung für die Nutzung der Aufzeichnung;
  • die eventuelle Zustimmung zur öffentlichen Wiedergabe der Verdolmetschung im Internet oder in den Medien.

Preisfestsetzung

Bei der Festsetzung des Preises fürs Ferndolmetschen sollten Konferenzdolmetscher folgende Dinge beachten:

  • den Preis der Ausrüstung, die sie auf eigene Kosten angeschafft haben, um die Anforderungen der jeweiligen Plattform zu erfüllen;
  • den Zeitaufwand für Schulungen zum Thema Hard- und Software (die beim klassischen Konferenzdolmetschen in den Zuständigkeitsbereich der Techniker und Informatiker fallen);
  • den Zeitaufwand für technische Testläufe vor der Konferenz;
  • die Beeinträchtigung von Gehör und Sehkraft aufgrund der Tatsache, dass die Dolmetscher einem schlechten Tonsignal ausgesetzt sind und ständig auf den Bildschirm blicken müssen, um den Sprecher zu sehen;
  • das Risiko des Reputationsverlustes aufgrund der Unmöglichkeit, schlechte Tonübertragungen zu verdolmetschen;
  • Zeitaufwand, Reise- und Übernachtungskosten, die für die Anreise des Dolmetschers aus dem eigenen Geschäftssitz in den Hub anfallen (wenn sich der Hub nicht im Ort des Geschäftssitzes des Dolmetschers befindet);
  • die Vergütung für die Nutzung der Aufzeichnung (wenn die Verdolmetschung aufgezeichnet wird);
  • die Vergütung für das Recht, die Verdolmetschung im Internet oder in den Medien zu verbreiten (wenn dies geschieht);
  • das Geld für die Einrichtung der eigenen Räumlichkeiten fürs Ferndolmetschen (Lärmschutz, Anmietung oder Kauf von Geschäftsräumlichkeiten, die von möglichen Lärmquellen entfernt sind, Einrichtung des Innenbereichs, Beschaffung von Sachen oder virtuellen Lösungen für die Gestaltung des Hintergrunds für Videokonferenzen usw.).

Es wird empfohlen, dass der Preis eines Arbeitstages des Dolmetschers beim Ferndolmetschen mindestens 20% höher ist als beim klassischen Konferenzdolmetschen.

Technische Aspekte

Während der Konferenz muss die Kommunikation zwischen den Dolmetschern desselben Sprachteams, den Dolmetschern des mehrsprachigen Dolmetscherteams, den Dolmetschern und den Technikern, den Dolmetschern und dem Moderator/Sprecher gewährleistet sein. Unmittelbar vor und während der Konferenz muss technisches Personal zur Verfügung stehen, das ein reibungsloses Funktionieren der Plattform und deren Einstellung sichert. Den Dolmetschern sollte vor dem Beginn der Verdolmetschung, vor allem wenn es sich um eine mehrsprachige Konferenz mit Relaisdolmetschen handelt, ein technischer Testlauf ermöglicht werden (Testen der Ton- und Bildqualität der Plattform unter Beteiligung der Techniker und Teilnehmer).

Wenn es die Plattform erfordert, dass der Techniker für die Einstellung Zugang zum Computer des Dolmetschers hat, den dieser als Interface für die Plattform benutzt, so hat der Techniker auch Zugang zu allen personenbezogenen und vertraulichen Daten, die sich im Computer des Dolmetschers befinden (gespeicherte Unterlagen, heruntergeladene Dateien, Browserverlauf, private Korrespondenz, gespeicherte Passwörter usw.). Deshalb ist es für die Dolmetscher sinnvoll, dass sie einen Computer ausschließlich zum Einloggen in die Plattform und einen anderen für die terminologische Suche und anderes benutzen.

Aufgrund von Schwankungen der Tonqualität, die beim Ferndolmetschen sehr oft vorkommen, wird empfohlen, Gehörschutzgeräte für den Schutz vor einem Knalltrauma oder akustischem Schock zu benutzen. Hierbei ist zu beachten, dass Gehörschäden oder -verlust nicht nur bei einer plötzlich auftretenden und unkontrollierten verstärkten Tonintensität, sondern auch bei einer dauerhaft schlechten Tonqualität des Eingangssprachkanals auftreten können. Detaillierte Informationen zu diesem Thema sind unter den folgenden Links abrufbar:

Dolmetschern wird empfohlen, im Voraus Informationen zu den technischen Mindestanforderungen einzuholen, was den Computer, die Ausrüstung für die Ton- und Bildübertragung, die Software und Internetverbindung angeht, sowie einen Nachweis über die Übereinstimmung mit den technischen Anforderungen der jeweiligen Plattform vorweisen zu können. Da beim Ferndolmetschen häufig unvorhergesehene Umstände eintreten, wird Dolmetschern, die in ihren eigenen Räumen dolmetschen, empfohlen, eine zweite Internetverbindung, zusätzliche Kopfhörer, ein zusätzliches Mikrofon und eine alternative Stromzufuhr für den Fall eines Stromausfalls (Aggregat, Batterie) bereitzustellen, aber nach Möglichkeit auch einen anderen Raum, auf den sie im Falle von unerwartetem, störendem Lärm ausweichen können.

 

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